„Die europäische Gemeinschaft muss bei der nachhaltigen Transformation mit gutem Beispiel vorangehen. Gleichzeitig benötigen wir eine enge internationale Zusammenarbeit und Initiativen wie die Net-Zero-Banking-Alliance, um den 1,5° Pfad noch zu erreichen.“
Bettina Storck ist seit 2020 als Head of Group Sustainability Management bei der Commerzbank AG für die übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie des Konzerns zuständig.Im Gespräch mit der dfv Euro Finance Group spricht sie über erneuerbare Energien, die EU-Taxonomie und die Transformationsgeschwindigkeit, die für das Erreichen der Klimaziele benötigt wird.
dfv EFG: Die Commerzbank ist das erste deutsche Kreditinstitut mit einem Prüfsiegel der Science Based Targets Initiative (SBTi) für seine CO2-Abbauziele. Welche Aspekte sind in diesen Zielen festgelegt?
Bettina Storck: Ja, genau. Wir sind die erste deutsche Bank, deren CO2-Reduktionsziele für 2030 von der Sciences Based Target Initiative geprüft und bestätigt wurden. Das heißt, wir steuern unsere Portfolios konsequent auf unser Net-Zero-Ziel hin – und zwar gemäß des 1,5-Grad-Pfads. Bis spätestens 2050 wollen wir die Emissionen unseres gesamten Kredit- und Investmentportfolios auf Netto Null reduzieren. Die SBTi-Ziele sind ein Kernelement unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Deshalb haben wir uns auch ehrgeizige Ziele gesetzt. Dass wir jetzt das SBTi-Prüfsiegel haben, ist ein wichtiger Meilenstein für uns. Aktuell fokussieren wir uns bei der Portfoliosteuerung auf die besonders CO2-intensiven Sektoren, wie zum Beispiel den Energiesektor oder das Baufinanzierungsportfolio. Ganz konkret haben wir bislang für sieben Sektoren Abbaupfade definiert, die in Summe ein Kredit- und Investitionsvolumen von insgesamt 112 Milliarden Euro und über 85% unserer finanzierten Emissionen umfassen.
dfv EFG: Das klingt ganz so, als würden Sie Ihr Net-Zero-Ziel mit voller Kraft verfolgen. Gilt das auch für Ihre Mitgliedschaft in der Net-Zero-Banking-Alliance? Zuletzt sind ja ein paar Banken ausgetreten…
Bettina Storck: Die Commerzbank steht auch weiterhin zu ihrer Mitgliedschaft in der UNEP FI Net-Zero-Banking-Alliance. Das Ziel, den 1,5-Grad-Pfad zu erreichen ist eine immens wichtige und zugleich immens herausfordernde Aufgabe, die wir nur dann erreichen können, wenn wir als Weltgemeinschaft an einem Strang ziehen. Internationale Organisationen und Initiativen wie die Net Zero Banking Alliance fördern diese länderübergreifende Zusammenarbeit und damit das Erreichen des Net-Zero-Ziels. Zudem treiben sie international vergleichbare Standards voran, die wir im Rahmen der Nachhaltigkeitstransformation dringend benötigen.
dfv EFG: Die USA ist derzeit auch im Hinblick auf ESG tief gespalten. Einige Staaten fordern Banken und Investoren auf, sich weniger ambitionierte Ziele zu setzen und weiterhin die fossilen Energien zu finanzieren. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Bettina Storck: Wenn es darum geht das Net-Zero-Ziel zu verfolgen halte ich die Entwicklung in den USA für besorgniserregend. Vor dem Hintergrund des aktuellen Weltgeschehens ist der Schulterschluss zwischen Europa und den USA unabdingbar. Umso wichtiger ist es, dass wir als europäische Gemeinschaft weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen und Vorreiter unter anderem bei der Energiewende bleiben. Auch wir als Commerzbank lassen uns von unseren ehrgeizigen Zielen nicht abbringen, zumal unsere Kundinnen und Kunden gleichermaßen wie unsere Investorinnen und Investoren genau das erwarten.
dfv EFG: Kommen wir zur EU-Regulierung: Sie sind eine Befürworterin der EU-Taxonomie. Viele Unternehmen sehen durch ihre Anwendung in der Praxis jedoch vor Herausforderungen. Was raten Sie diesen Unternehmen?
Bettina Storck: Ich erachte das Ziel einer standardisierten Klassifizierung von nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten, das die EU-Taxonomie zur Aufgabe hat, für richtig und wichtig. Wir benötigen eindeutige und transparente Standards, um den Übergang in eine Net-Zero-Realwirtschaft steuern zu können. Auch weniger große und nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen werden über ihre Nachhaltigkeitsleistung berichten müssen. Das verbessert die Verfügbarkeit von ESG-Daten. Und als Bank brauchen wir diese Daten, um Kapital für die Transformation wirkungsvoll und risikoorientiert zu vermitteln. Nur so können wir unserer Schlüsselrolle als Finanzierer der grünen Transformation gerecht werden. Gleichwohl ist die Umsetzung der EU-Taxonomie sowohl für uns als Bank als auch für unsere Kundinnen und Kunden mit hohem Aufwand verbunden. Deshalb plädieren wir für möglichst anwendungsfreundliche Prüfkriterien.
Um unseren Kundinnen und Kunden bei der Umsetzung solcher neuen Standards Unterstützung zu bieten, haben wir die Impact Solutions Plattform entwickelt. Das ist ein B2B-Portal mit Nachhaltigkeitslösungen, die weit über Finanzierungsfragen hinausgehen. Hier finden unsere Kundinnen und Kunden zum Beispiel Kooperationspartner, mit denen sie ihren CO2-Fußabdruck berechnen oder eine Klimastrategie erarbeiten können.
dfv EFG: Apropos Klimastrategie: Ihr Headquarter in der Frankfurter Skyline hebt sich vor allem in den Abendstunden durch seine auffallend gelbe Beleuchtung deutlich ab. Wird hier ebenfalls mit erneuerbaren Energien gearbeitet?
Bettina Storck: Für uns ist der Einsatz von erneuerbaren Energien schon lange selbstverständlich. Bereits seit 2013 werden alle von der Commerzbank in Deutschland genutzten Gebäude ausschließlich mit Ökostrom versorgt. Bereits 2022 haben wir unser Klimaziel, dessen Zielerreichung erst für 2025 vorgesehen war, frühzeitig erreicht. Damit haben wir unseren Energieverbrauch um 30 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2018 reduziert. Jetzt sind wir dabei, ein neues Energiesparziel zu entwickeln und haben unser endgültiges Ziel – nämlich einen Net-Zero-CO2-Ausstoß für den eigenen Bankbetrieb – fest im Blick.
dfv EFG: Sie wurden in diesem Jahr als einzige deutsche Bank im „Global 100 Most Sustainable Corporation in the World Index“ (G100) geführt. Unter anderem, da Sie im Vergleich zum Wettbewerb ein großes Portfolio an erneuerbaren Energien haben. Warum legen Sie hier so einen Fokus?
Bettina Storck: Die Auszeichnung erhalten wir sogar schon zum 5. Mal in Folge. Seit 2019 sind wir ununterbrochen im Global 100 von Corporate Knights gelistet, und natürlich auch ein bisschen stolz darauf.
Der Einsatz von erneuerbaren Energien ist einer der größten Hebel, um die Realwirtschaft nachhaltig zu gestalten. Außerdem sind die Unternehmen damit unabhängiger von internationalen Energielieferungen. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtige eine solche Unabhängigkeit ist. Hinzu kommt, dass Deutschland gerade erst aus der Kernenergie ausgestiegen ist. Und auch der Kohleausstieg ist beschlossen. Die flächendeckende Nutzung von erneuerbaren Energien genießt also oberste Priorität. Unsere Kundinnen und Kunden haben längst erkannt, wie wichtig Nachhaltigkeit für ihre künftige Wettbewerbsfähigkeit ist. Und dabei wollen wir sie bestmöglich auch mit Finanzierungen im Bereich erneuerbare Energien unterstützen.
dfv EFG: Und was raten Sie privaten Anlegerinnen und Anlegern?
Bettina Storck: Die Basis unserer ESG-Beratung ist MiFID II, wobei unsere Kundinnen und Kunden bei Beratungsgesprächen auch nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen und nachhaltigkeitsbezogenen Anlagezielen gefragt werden. Wir bieten im Privatkundensegment ein umfassendes ESG-Produktangebot, das wir kontinuierlich weiterentwickeln. Je nachdem wie viel ein Kunde anlegen möchte, kann er vom monatlichen Sparplan ab 25 Euro bis hin zur nachhaltigen Vermögensverwaltung aus verschiedenen ESG-Anlagemöglichkeiten wählen. Seit Anfang 2020 bieten wir beispielsweise auch ein eigenes Musterdepot für nachhaltige Investments an.
dfv EFG: Welche konkrete Entwicklung/Entscheidung wünschen Sie sich für die (grüne) Finanzbranche bis zum Auslaufen der Klimaziele 2025 des Pariser Abkommens?
Bettina Storck: Zusammenarbeit und entschlossenes Handeln sind die Gebote der Stunde. Deshalb bringen wir als Commerzbank unsere Expertise auch in zahlreichen Initiativen ein. Auf internationaler Ebene zum Beispiel in der Net-Zero Banking Alliance von UNEP FI. Auf nationaler Ebene sind es unter anderem das Green and Sustainable Finance Cluster Germany oder auch die Initiative Biodiversity in Good Company. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass es neben Klimaschutz noch viele andere Herausforderungen im Rahmen ESG gibt. Biodiversität wird dabei eine große Rolle spielen. Wir brauchen diese institutsübergreifenden Initiativen, um allgemein gültige Standards zu etablieren. Nur so können wir Nachhaltigkeitsleistungen vergleichbar machen und die Kapitalströme in Richtung des Pariser Klimaziels lenken. Je größer die Transformationsgeschwindigkeit, zu der wir unseren Kundinnen und Kunden verhelfen, desto mehr erreichen wir für den Klimaschutz. Und genau diese Transformationspfade gilt es noch weiter zu definieren. Denn neben der Frage, welche Wirtschaftsaktivitäten bereits nachhaltig sind, gilt es ebenso zu klären, welche Maßnahmen zur Transformation die richtigen sind. Diese Frage beantwortet die Regulierung derzeit noch nicht.